Ich bin vor fünfzehn Jahren für ein spätes Studium nach Berlin in dieses Haus gezogen. Damals sah der Kiez noch anders aus. Die Meisten Häuser waren nur grob oder gar nicht saniert. Es gab Leerstände und besetzte Häuser. Die meisten der zahlungskräftigeren Neubürger*innen zogen noch in den Prenzlauer Berg und trieben dort die Mieten in die Höhe.
Doch auch hier in Friedrichshain war bereits zu sehen, dass die alt eingesessene Bevölkerung zunehmend verschwand. Wahrscheinlich gehörte auch ich selbst damals zu den Vorboten der Gentrifizierung, die mich jetzt selbst zu verdrängen droht.
In München, wo ich zuvor zehn Jahre lang gelebt und gearbeitet hatte, wäre es umöglich gewesen mit Anfang Dreißig noch eine akademische Ausbildung zu beginnen. Nach jahrzehntelangem Wirken eines befreiten Wohnungsmarktes,waren die Mieten dort bereits damals so hoch, dass ich mir ein zeitintensives Fachhochschulstudium, ohne Anspruch auf Bafög oder Unterstützung aus einem begüterten Elternhaus niemals selbst mit Arbeit in den Semesterferien hätte finanzieren können. Hier war das noch möglich.
Das Büro um die Ecke, das ich mir mit anderen Kiezbewohner*innen teile und zusammen mit ihnen aufgebaut habe, ist heute mein Arbeitsplatz – unser Kiez mein zu Hause geworden, auch weil die Miete für meine kleine Wohnung in unserem Haus für mich bisher noch bezahlbar geblieben ist.
Ich bin nun wohl auch einer dieser vielen freiberuflichen Selbständigen, die Berlin zu dem berühmten Anziehungspunkt für Freigeister, „Freaks“ und kreative Menschen aus aller Welt, und die bunte Kieze wie unseren zu einer so attraktiven Wohn-Kulisse für die gehobene Mittel- und Oberschicht gemacht haben.
Die Mieten, die mittlerweite für luxussanierte Altbauten in solchen Umfeldern gezahlt werden, könnten Leute wie ich und viele andere, die ihren Lebensunterhalt damit verdienen sich von Auftrag zu Auftrag und von Projekt zu Projekt zu hangeln, allerdings niemals bezahlen.
Und zusammen mit uns würde auch die schöne, bunte Kulisse verschwinden.