SommerSchlussVorkauf

In Berlin findet gerade der grosse Ausverkauf von Grund und Bausubstanz statt. Unsere Stadt entwickelt sich zu einem Eldorado des globalen Investmentgeschäfts mit dem Wohn- und Arbeitsraum ihrer Bevölkerung. Während auf den Finanzmärkten bereits die nächste Krise erwartet wird, fliehen weltweit Billionen von Dollar an überschüssigem Geld in “sichere” Betongold-Anlagen.

Investmentfirmen schaffen keinen Wohnraum

Auch wenn Die Immobilienverbände, ihre bezahlten Experten und zahlreiche ihnen wohlgesonnene Politiker*innen und Publizist*innen es mittlerweile fast schon täglich in den Medien verkünden – Global agierende Investoren schaffen keinen bezahlbaren Wohnraum. Nicht in Berlin, nicht in London und nicht in New York City. Sie blasen Märkte auf, treiben Preise in die Höhe, und sorgen dafür, dass unser aller Mieten unbezahlbar werden.

Das heißt: Alte Wohnungen werden teurer – zuletzt um fast 12% innerhalb eines Jahres. Und die neu gebauten Wohnungen sind schon von Anfang an so hochpreisig, dass die Investitionen ohne exorbitante Mieten gar keine Rendite abwerfen können.

Die Kaufpreise übersteigen mittlerweile auch in Berlin vielerorts das dreißigfache der aktuellen jährlichen Mieteinnahmen. Ohne eine massive Aufwertung, Umwandlung in Eigentumswohnungen und teuren Weiterverkauf wären die Ausgaben für die Investmentfonds ein Verlustgeschäft. Schon im letzten Jahr (2018) schrieb die Berliner Morgenpost:

“Wie sehr der Wohnungsmarkt in Bewegung ist, zeigt der deutliche Anstieg der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen – um 25 Prozent auf 16.548 Wohnungen, im Neubau sogar um 45 Prozent auf 7072 Wohnungen. Die Mieten stiegen rasant. Im zweiten Quartal 2018 wurde eine Standardwohnung in der Hauptstadt im Durchschnitt zu einem Quadratmeterpreis von 9,33 Euro angeboten nach 8,57 Euro im Jahr zuvor, wie das Forschungsunternehmen „F+B“ am Montag mitteilte.”(https://www.morgenpost.de/berlin/article214917573/Immobilien-Spekulanten-koennten-Interesse-an-Berlin-verlieren.html)

Das viele Geld, welches aus aller Welt in die Stadt strömt, wird jedoch kaum dazu genutzt, dringend benötigten – und bezahlbaren – neuen Wohnraum zu schaffen. Es fördert vor allem den weiteren Ausbau des besonders lukrativen Luxussegments und sorgt dafür, dass die Normal- und Geringverdiener*innen, die hier immer noch den überwiegenden Teil der Bevölkerung ausmachen, immer weiter an den Stadtrand verdrängt werden.

Gewinne privatisieren, Verluste sozialisieren

Immer wieder hören wir, dass die Stadt boomt und dass der Zuzug zahlungskräftiger Oberschichtbewohner*innen der notorisch klammen Berliner Staatskasse dabei hilft, schwarze Zahlen zu schreiben. Gleichzeitig hat sich jedoch das durchschnittliche Jahreseinkommen der Berliner*innen in den Letzten Jahren nicht annähernd so schnell erhöht, wie die Preise für Mieten, Grundstücke und Eigentumswohnungen. Dabei entgehen dem Land Berlin, der Bundesrepublik Deutschland und anderen, vom Immobilienboom der letzten Jahre betroffenen EU-Mitgliedstaaten jährlich hunderte Millionen Euro an Unternehmens- und Kapitalertragssteuern durch die Lappen. Elaborierte Firmenkonstrukte entziehen dabei systematisch einen großen Teil der Renditen, die mit dem Wohnraum der Bürger*innen in den europäischen Metropolen erwirtschaftet werden, dem Zugriff der Finanzämter. Sie werden über Zweckgesellschaften in Luxemburg und anderen Steueroasen systematisch – und leider völlig legal – am Fiskus vorbei geschleust.

Letzte Hoffung Vorkauf

Der Vorkauf durch die Bezirke ist für viele Mieter*innen mittlerweile die einzige Rettung vor der Verdrängung durch Zwangsmodernisierung, Umwandlung in Eigentumswohnungen und horrenden Mieterhöhungen. Die Auflagen durch Milieuschutz und Mietpreisbremse erweisen sich zunehmend als unzureichend, um die Bevölkerung vor der totalen Verwertung ihres Wohnraumes zu schützen. Selbst der Vorkauf kann nur in ausgewiesenen Erhaltungsgebieten angewandt werden, während die Bewohner*innen anderer Kieze der Verdrängung durch den Mietenwahnsinn weitgehend schutzlos ausgeliefert sind.

13 betroffene Häuser im Bezirk

Zur Zeit prüft alleine der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg gleichzeitig den Vorkauf für 13(!) Häuser in sozialen Erhaltungsgebieten, welche größtenteils im Auftrag auswärtiger Investoren zu wahnwitzigen Preisen aufgekauft wurden. Das in Berliner Betongold angelegte Geld kann überhaupt nur dann den Erwartungen der Anleger entsprechend Verzinst werden, wenn die neuen Eigentümer alles dafür tun, die Häuser schnellstmöglich aufzuwerten und weiter zu verkaufen.

Da die offiziellen Käufer häufig eigens gegründete luxemburgische GmbHs sind, steht zu befürchten, dass die Häuser nach der Aufwertung im Rahmen von share-deals als Anteile am Betriebsvermögen veräußert werden sollen, bei deren Verkauf weder Grunderwerbssteuer anfallen würde, noch eine erneute Prüfung des Vorkaufsrechts.

Handlungsfähige Politik?

Wir halten diese Situation für untragbar und eines demokratischen Staates für unwürdig. Es kann nicht sein, dass der Staat seine Handlungsfähigkeit verliert, weil die Investmentfirmen die Preise immer weiter in die Höhe treiben. Die Berliner Landesverfassung und das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland stellen den Staat nicht unter Kuratel des Marktes und den Schutz des Eigentums der Wenigen nicht über das Gemeinwohl der Vielen.

Wir fordern daher die Berliner Landesregierung auf, den Bezirken alle rechtlich und finanziell möglichen Mittel zur Verfügung zu stellen, um den Vorkauf der Bezirke zugunsten von landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften oder Gensossenschaften zu ermöglichen und damit die Verdrängung ihrer eigenen Bürger*innen und Wähler*innen aus den Innenstadtbezirken zu verhindern. Die Alternative wäre eine weitere Ghettoisierung der Randbezirke.

Wir fordern außerdem die Abgeordneten des deutschen Bundestages und des EU-Parlaments, sowie die Bundesregierung und die Europäische Kommission dazu auf, die Steuerschlupflöcher für Investoren nachhaltig zu stopfen, den Immobilienmarkt gesetzlich scharf zu regulieren, und sich dafür einzusetzen, dass die Bürger*innen der europäischen Städte nicht mehr länger dem freien Spiel entfesselter Finanzmärkte ausgesetzt werden.

Der Soziale Friede in unseren Metropolen kann nicht gewahrt werden, wenn Nachbarschaften zerstört und langjährige Lebensräume weiterhin dem Renditestreben des internationalen Geldadels geopfert werden, und die gewählte politische Vertretung das Handeln einstellt, weil die Gesetze die sie selbst beschlossen hat, keinen ausreichenden Schutz mehr für das Gemeinwohl bieten.